STATION ROSE — Pioniere des Cyberspace
STATION ROSE wurde 1988 als multimediale, digitale Kunststation von der bildenden Künstlerin Elisa Rose und dem Musiker und Komponisten Gary Danner gegründet, die den Namen ganz bewußt in Bezug auf die berühmte Endsequenz des Italowesterns „Spiel mir das Lied vom Tod“ wählten. STATION ROSE war ab diesem Zeitpunkt ein Ort, der zwischen realem Raum und Virtual Reality, zwischen Straßenlokal und Cyberspace als Werkstatt und Artist Run Space für die vielseitigen Projekte von Rose und Danner fungierte. Aus heutiger Sicht zählt das Künstlerpaar zu den österreichischen Pionieren der digitalen Kunst, die auch international maßgeblich an der Entwicklung des Cyberspace als ein virtueller Raum für technische und gesellschaftliche Utopien beteiligt waren.
Elisa Rose, die Anfang der 1980er bei Karl Lagerfeld und Oswald Oberhuber an der Angewandten studiert, und Gary Danner, der zur gleichen Zeit als Musiker von Oberhuber in dessen legendäre Klasse aufgenommen wird, teilen früh ihre Begeisterung für medienbasierte und systemübergreifende Kunst, die sich weniger dem Figurativen und Erzählerischen widmet, als sich mit den strukturellen, technischen und sozialen Voraussetzungen künstlerischen Schaffens befasst. Mit ihrer multimedialen Kunststation Station Rose auf der Wieden in Wien begannen sie 1988, ihre digitalen Kunstprojekte mit verschiedenen Öffentlichkeiten zu verknüpfen und diese zu vernetzen. Sie konzipierten Ausstellungen mit Computerkunst, traten mit audio-visuellen Performances auf, luden Gastvortragende und Künstlerkolleg_innen zu gemeinsamen Projekten ein und produzierten zusammen Computermusik und digitale Bilder und Videos, die sie von Anfang an als gemeinsame, intermediale Werke begriffen. Sie waren unter den allerersten Künstler_innen in Österreich und weltweit, die das Internet und den Cyberspace als Chance und Herausforderung für ihr Leben und ihre künstlerische Arbeit begriffen.
Ein achtmonatiger Postgraduate-Arbeitsaufenthalt in Kairo von 1988 bis 1989 beeinflußte den ästhetischen Outcome ihrer Arbeiten enorm. Mit dem gesamten technischen Equipment ihres damaligen Studios reisten sie in die ägyptische Hauptstadt, um die arabische Welt kennenzulernen und geichzeitig einen Blick aus dem arabischen Kontinent auf die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen des Westens zu werfen. Das Aufkommen des Internets und die damit verbundenen globalen technologischen, sozialen und kulturellen Umwälzungen erkannten Rose und Danner als einmalige Chance, die spezifische digitale Ästhetik von Computern in ihrer künstlerischen Arbeit weiter voranzutreiben, was besonders das Experimentieren mit den neuen Kommunikationsräumen des Internets, mit dem Cyberspace beinhaltet hat. Die besondere Ästhetik der arabisch-islamischen Kultur mit ihren mathematischen, nicht-figurativen Mustern und Ornamenten — in der arabischen Musik genauso wie in der visuellen Kunst — spielte dabei eine wesentliche Rolle, da sie strukturell direkt mit den von Rose und Danner schon zuvor in ihren Werken eingesetzten Mustern und abstrakten Formen korrelierte.
Die offensichtlichen Parallelen zwischen den Formen der arabischen Kunst und denen der Computermusik und -bilder, die aus Algorithmen und Maschinen entstehen, waren daher ein wichtiges Forschungs- und Experimentierfeld von Rose und Danner während ihrer Zeit in Ägypten. Auf ihrem Commodore Amiga 500 produzierte Elisa Rose eine Reihe von Bildern in dieser ornamenthaften Ästhetik, die sie mit dem damals für diesen Rechner eigens entwickelten Grafikprogramm DPaint (eigentlich „Deluxe Paint“) am Computer mit der Maus „gemalt“ hat. Dabei sind etwa 60 digitale Computergrafiken entstanden, von denen sie einen Teil mithilfe eines 9-Nadel-Druckers auf A4-Papierbögen ausgedruckt hat. Einige andere Grafiken wurden mit der Fotokamera auf Stativ bei einer Achtelsekunde Beleuchtungszeit und mit einem Blendenwert von f/8 direkt vom Bildschirm abfotografiert und als Farbdias archiviert. Aus diesen Nadeldrucken und Farbdias stammen die acht Drucke der vorliegenden Edition. Alle acht Arbeiten vereint ihre Entstehungsgeschichte im historisch einmaligen Zusammenspiel von ägyptisch-arabischer Kultur und dem rasanten Aufkommen der neuen, globalen, digitalen Technologien.
Die Blätter für die Edition wurden in Hinsicht auf ihre Unterschiedlichkeit in Bezug auf ihre mediale Vervielfältigung bzw. Reproduktion (Nadeldrucke bzw. Fotos) sowie auf ihre ornamentale Ästhetik (Sampling von Ornamentik und Darstellung bzw. reine Ornamentik) ausgewählt. Alle Arbeiten vereint andererseits das Interesse an der Dekonstruktion ornamentaler Regeln, die sich aus der mathematischen Grundlage des Computers und des eingesetzten Malprogramms ergeben, und die gleichzeitig durch das Spiel mit der sinnlichen Schönheit und Farbigkeit arabischer Musterhaftigkeit erweitert wird.
Von den drei Prinzipien der arabisch-islamischen Ornamentik, nämlich der Geometrie, der Kallographie und der Arabeske, sticht in allen Werken naturgemäß das geometrische Element am meisten hervor. Polygone, Sternmuster, Überlagerungen und Verflechtungen sind ebenso wesentliche Bestandteile der Grafiken, wie Symmetrie, Wiederholung, Spiegelung, Verdopplung, Selbstbezüglichkeit und Varianz, die als formale Eigenschaften auf die mathematische Grundlage ihrer Ästhetik verweisen. Dennoch ist bei allen Werken die Fragmentierung und Dekonstruktion von eigenen digitalen und klassischen ornamentalen Elementen, ihre Kontextualisierung in einem enthusiastisch neuen, auf die Technologie fokussierten Zusammenhang, und das Spielen mit der spezifischen Medialität ihrer Produktionstechniken ein wesentlicher Faktor, der den Bildern den sinnlich-ästhetischen Mehrwert gibt. Mit dieser genuin künstlerischen Herangehensweise an die ästhetischen Möglichkeiten neuer Technologien und an ihre sozialen Implementierungen haben Rose und Danner in gewisser Weise den damals noch in ferner Zukunft liegenden „Clash of Cultures“ von Ost und West, den globalen Konflikt von islamisch und christlich geprägten Weltanschauungen und die damit verbundenen Konfrontationen zwischen scheinbar „aufgeklärten“ und scheinbar „rückständigen“ Lebensformen vorweggenommen, in deren Malstrom wir uns heute wiederfinden.
1989 kamen Rose und Danner aus Kairo zurück nach Wien und verarbeiteten ihre Forschungseindrücke in Österreich unter anderem im Rahmen der legendären Gunafa Show als Bühnenperformance bei der Ars Electronica 1989 in Linz. „Cyberspace is Our Land“ proklamieren sie endgültig, als sie 1992 für viele Jahre nach Frankfurt am Main übersiedelten. Seit 2010 leben STATION ROSE wieder auf der Wieden in Wien, von wo aus sie weiterhin den Cyberspace und die realen Räume der Welt mit ihrer Digital Art, ihren inter- und multimedialen Performances, Ausstellungen, Installationen, Webprojekten, CDs, DVDs und Büchern bespielen.
(Katharina Gsöllpointner, Wien im Februar 2017)
Die Edition beinhaltet folgende Werke:
Amiga-Still.06_9-Nadel Druck (Computergrafik Commodore Amiga,1987)
Amiga-Still.07_9-Nadel Druck (Computergrafik Commodore Amiga,1988)
Amiga-Still.20_wien-cairo-köln_for Museum Ludwig (Computergrafik Commodore Amiga,1988)
Amiga-Still.21_Red Pfeile_for Museum Ludwig (Computergrafik Commodore Amiga,1988)
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Informationen zu den Künstlern: