Wie soll man es nennen, wenn ein Künstler sich neu orientiert und seine bisherige Bildstrategie hinterfragt bzw. sich von seinen über Jahre hinweg entwickelten Markenzeichen bzw. vertrauten Kompositionselementen verabschiedet? Neuanfang? Weiterentwicklung? Wahrscheinlich beides zugleich. Im Fall der neuen Arbeiten von Jan Muche heißt das, dass der Künstler auf Texte und Wortfragmente im Bildaufbau verzichtet und seine bislang figurativ und architektonisch inspirierte Motivik wie auch die mitunter schrillbunte Farbigkeit drastisch verändert. Text- und menschenleer sind seine aktuellen Werke, die Farben sind schmutzig und düster, ganz so als hätten sie Jahrzehnte auf einem Dachboden hinter sich. Die Motive sind zwar immer noch architekturaffin und somit nicht komplett anders als früher, aber Muche verzichtet beinahe völlig auf das narrative Element der Menschendarstellung bzw. figürlichen Silhouetten. Stattdessen wählt er komplexe, kaum noch erfassbare, abstrakte Konstruktionen, die in der Regel aus architektonischen Entwürfen und Fotografien abgeleitet sind. Muche verfremdet diese jedoch so stark in Richtung Ornament und Muster, dass kaum noch erkennbar ist, ob nun eine Fernsehturm-Stahlkonstruktion aus den 1920er Jahren oder ein modernistischer bzw. utopischer Dachentwurf zugrunde liegt. Begleitend zu den Gemälden entstehen seit ca. 2 Jahren auch filigrane Skulpturen aus Holzstäben, die wie eine dreidimensionale Bildvariante wirken und vom Künstler zum Teil als Modelle für größere, noch zu realisierende Raumskulpturen gedacht sind. Manche dieser aus dünnen Holzstäben gefertigten Gebilde stehen für sich, andere sind als eine Art Bilderlager konstruiert, das jedoch weder funktional noch bildbetrachtungsfördernd ist, sondern vielfach den Blick auf die integrierten Bildtafeln verwehrt.
Textzitat: Sven Drühl (Archiv Jan Muche)
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Informationen zum Künstler:
Homepage: Jan Muche